Großbrand in der Essener Innenstadt – eine vorläufige Bilanz
Am 21. Februar 2022 brannte ein Wohnkomplex im Essener Westviertel. 35 Wohnungen wurden komplett zerstört, 128 Menschen verloren ihr Zuhause. Wie durch ein Wunder wurden bei dem Großbrand, den Beobachter als „Inferno“ beschrieben und der bundesweit mediale Beachtung fand, nur drei Menschen durch Rauchvergiftungen verletzt.
Die Schadenssumme liegt in zweistelliger Millionenhöhe. Damit handelt es sich um einen der größten Wohngebäudebrände in Nordrhein-Westfalen der letzten Jahrzehnte. Obwohl die Brandursache noch immer nicht abschließend ermittelt werden konnte, gibt es inzwischen neue Erkenntnisse zur Entstehung und Ausbreitung des verheerenden Feuers.
Lage und Charakteristika des Brandobjekts
Der Wohnkomplex befindet sich an der Bargmannstraße in der „Grünen Mitte“ von Essen, unweit des Stadtzentrums. Er besteht aus zwei zusammenhängenden Wohngebäuden mit 35 Wohneinheiten, die nach der NRW-Landesbauordnung 2000 (BauO NRW 2000) aus Stahlbeton und Mauerwerk errichtet wurden. Die L-förmig angeordneten Häuser haben vier Vollgeschosse, über denen ein Staffelgeschoss lagert. Das Gesamtgebäude unterteilt sich in drei über etwa 40 Meter ausgedehnte Brandabschnitte. Jedes seiner Geschosse wurde als separater Rauchabschnitt konzipiert. Die Brandwände werden den REI-M 90-Anforderungen gerecht. Auch die Trennwände der insgesamt drei Treppenhäuser erfüllen diese Anforderungen. Unter dem Komplex liegt eine von Brandmeldeanlagen überwachte Großgarage.
Unweit des Brandobjekts befinden sich zwei Unterflurhydranten. Durch die Nähe zur Essener Innenstadt ist auch im weiteren Umfeld eine ausreichende Löschwasserversorgung gegeben. Wie sich herausstellte, erwies sie sich zumindest in der Anfangsphase der Brandbekämpfung dennoch als unzulänglich.
Brandbekämpfung
Die vom Sturmtief „Antonia“ bedingte Wetterlage hatte die Essener Feuerwehr in der Brandnacht bereits mehrfach gefordert, als um 2:15 Uhr ein brennender Balkon der Wohnanlage an der Bargmannstraße gemeldet wurde. Beim Eintreffen erster Einsatzkräfte stand bereits die gesamte Gebäuderückseite in Flammen. Durch Wärmestrahlung und wetterbedingten Funkenflug geriet sogar ein vor dem Haus geparktes Fahrzeug in Brand. Unter Atemschutz organisierte die Feuerwehr die Menschenrettung und kontrollierte ein Nachbargebäude. Es war möglich, den Rauch- und Wärmeabzug für einen gewissen Zeitraum anzuschalten, der die Treppenhäuser für die Rettung von Menschenleben rauchfrei machte. Im weiteren Verlauf der Löschmaßnahmen musste die Feuerwehr auch gegen zum Teil extreme Sturmböen ankämpfen, die eine Eindämmung des Brands unmöglich machten. Immerhin konnte ein Ausbreiten des Feuers auf das Nachbargebäude verhindert werden. Nur allmählich ließ die Brandintensität nach. Nachdem keine Menschen mehr als vermisst gemeldet wurden und Teile der Treppen im oberen Bereich vom Feuer völlig zerstört waren, wurde die Innenbrandbekämpfung aufgegeben. Erst im Laufe des Vormittags waren die Löschmaßnahmen dann ganz beendet. Statiker ermittelten, dass lediglich die Treppenräume sicher, die anderen Bereiche des Wohnkomplexes aber infolge des Brandgeschehens unbegehbar geworden waren.
Mögliche Brandursachen
Während kein Zweifel darüber besteht, dass das nächtliche Sturmtief mit Windstärke 9 großen Anteil an der geradezu blitzartigen Ausbreitung des Brandes hatte, liegen über die eigentliche Brandursache noch keine sicheren Erkenntnisse vor. Da die Fassade mit nicht brennbarer Mineralwolle gedämmt wurde, kam der womöglich brandbegünstigende Einfluss eines Wärmedämmverbundsystems nicht infrage. Anders sieht es mit den Balkonverkleidungen aus: Sie wurden zum Errichtungszeitpunkt mit der damaligen Landesbauordnung konform mit einer Hart-Kunststoff Verkleidung ausgeführt, sowie die Bodenbeläge der Balkone aus WPC erstellt, einem Kunststoff-Holz-Gemisch.
Der Baustoff wurde vom Hersteller nach DIN 13501 in Brandklasse B2 (normal entflammbar) eingestuft. So ist von einem Zusammenspiel negativer Bedingungen auszugehen: Der L-förmige Gebäudekomplex diente dem Sturm regelrecht als Windfang, was in wenigen Minuten zu einer durchgehenden Flammenfront der Gebäuderückseite führte. Dabei wurde die Brandausbreitung offenbar nicht nur von der geschossübergreifenden Balkonverkleidung, sondern auch von diversen Brandlasten auf den Balkonen gefördert. Es darf zumindest vermutet werden, dass deshalb der lokale Ursprung des Großbrands auf einem der Balkone zu suchen ist. Bei der Brandursachenermittlung war auch ein Roboterhund der Polizei zum Einsatz gekommen, der in dem nicht begehbaren Gebäude Informationen sammelte.
Resümee
Selbst unter Berücksichtigung der hohen Windstärke war die außergewöhnlich rasche Ausbreitung des Brands für die Einsatzkräfte eine unangenehme Überraschung. In der Kritik steht die heute nicht mehr gültige Landesbauordnung NRW 2000, die insbesondere in den Bereichen Balkone, Trenn- und Brandwände Mängel am baulichen Brandschutz erkennen lässt. Im Unterschied dazu ist in der aktuellen Fassung der Landesbauordnung NRW aus 2018 festgelegt, dass auch geschossübergreifende Balkonbrüstungen schwerentflammbar (B1) gem. DIN 13501 auszuführen sind. Ferner erwies sich die besondere Sicherheitsrelevanz von Gebäudeabständen. Den Einsatzkräften war es nur unter entschlossener Aufbietung von Mensch und Material gelungen, die Brandausbreitung auf die von der intensiven Wärmestrahlung bedrohten Nachbargebäude zu unterbinden.
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