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Veranstaltungstechnik: neue Materialklassen zur Gefährdungsbeurteilung

Mit der Veröffentlichung des Standards igvw SQP8 „Brandschutz im Dekorationsbau“ der Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft (IGVW) werden zum ersten Mal Materialklassen der Veranstaltungstechnik in die Vorschriften für Veranstalter aufgenommen. Der Beitrag zeigt, warum diese Klassen notwendig sind und wie sie sich von Baustoffklassen unterscheiden.

Die Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft (IGVW) hat den neuen Standard igvw SQP8 zum Brandschutz im Dekorationsbau herausgegeben.

Das Ziel der IGVW ist es, bei für die Veranstaltungswirtschaft bedeutsamen Themen gemeinsam Position zu beziehen sowie diese öffentlich zu vertreten und Branchenstandards zu entwickeln. Das Risiko einer Brandentstehung in Veranstaltungsorten sowie der Verlauf eines Entstehungsbrandes sind von vielen Faktoren abhängig. Die Komplexität der Zusammenhänge lässt sich nur durch eine Gefährdungsbeurteilung fachkundiger Personen vor Ort bewerten, die in erster Linie die veranstaltungsspezifischen Einflüsse und die örtlichen Gegebenheiten betrachten. Insiderwissen bzgl. der Produktionsabläufe rückt immer mehr in den Vordergrund. Eine Bewertung der Brandgefahr auf der Grundlage eines Zertifikats über das Brandverhalten der verwendeten Materialen wird nicht mehr als risikogerecht angesehen.

Materialien nach Entzündbarkeit

In dem Standard igvw SQP8 rückt nicht der Beitrag zum Brand, sondern die Entzündbarkeit in den Fokus. Die primären Zündquellen dürfen nicht in der Lage sein, die vorhandenen Materialien zu entzünden. Dabei werden nicht nur einzelne Produkte, sondern es wird das ganze Umfeld betrachtet. Eine leichte Entzündbarkeit ist überall möglich, wo sich viele undefinierte Gegenstände im Raum befinden, z.B. Kostüme, Requisiten, Noten und Bücher. Das ganze Umfeld ist in diesem Fall leicht entflammbar. Es lässt sich immer etwas mit einem Streichholz anzünden.

Schwer entflammbare Dekorationen brauchen hingegen auch ein schwer entflammbares Umfeld, um als solche zu gelten. In der Gefährdungsbeurteilung müssen demzufolge alle Materialen separat bewertet und Abweichungen kompensiert werden. Ist das Umfeld tatsächlich als schwer entflammbar zu kategorisieren, können auch feuergefährliche Aktionen mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen ohne Risiko stattfinden.

In vielen Fällen wird man jedoch zu dem Ergebnis kommen, dass das Umfeld tatsächlich leicht entflammbar ist. In diesem Fall muss das Brandschutzkonzept darauf abgestimmt sein. Ein einfaches Beispiel zeigt die Problematik noch deutlicher: Klassische Musik brennt besser als etwa Punk-Rock – und das nicht im übertragenen Sinne. Um eine Violine oder Notenblätter anzuzünden, reicht ein Feuerzeug. Hingegen vertragen E-Gitarren und Schlagzeuge inklusive Kabel und Verstärker auch Pyrotechnik. Die Versammlungsstättenverordnung (VStättVO) mit ihrem Grundsatz, dass Ausstattungen schwerentflammbar und Requisiten normal entflammbar sind, greift da nicht.

Einführung neuer Materialklassen

Um die an Veranstaltungsorten vorhandenen Materialien systematisch zu kategorisieren, wurden neue Materialklassen der Veranstaltungstechnik entwickelt, die sich an den Euroklassen der Baustoffe orientieren.

Sie werden mit dem Kürzel VT für Veranstaltungstechnik gekennzeichnet. Mit den neuen Materialklassen wurden auch für die Praxis geeignete Prüfverfahren eingeführt. Es hat sich gezeigt, dass die Materialklasse VT-D, eine Zwischengröße zwischen normal und schwer entflammbar, im Dekorationsbau eine besondere Rolle spielt. So fällt zum Beispiel gehobeltes Vollholz in diese Klasse, das schon lange wie ein „irgendwie doch“ schwer entflammbares Material behandelt wurde. Die Einteilungen der Materialklassen der Veranstaltungstechnik orientieren sich an den Zündinitialen der Baustoffklassen nach EN 13501-1 und werden in Tabelle 1 ausführlicher dargestellt.

Fazit

Für viele Veranstaltungen reichen die pauschal mit dem Baugenehmigungsverfahren erstellten Brandschutzkonzepte nicht aus. Viel zu groß und zu häufig sind die inszenierungsbedingten Änderungen und Abweichungen von den Standardfällen. Es muss Veranstaltern möglich gemacht werden, die Eignung ihrer Dekorationsbauten und ihrer betrieblichen Maßnahmenkonzepte eigenverantwortlich auf der Grundlage der aktuellen Regeln und des Standes der Technik zu bewerten und ggf. anpassen zu können. Die Veröffentlichung des igvw SQP8 ist ein wichtiger Meilenstein in diese Richtung.

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