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Selbstentzündung – die unberechenbare Brandgefahr

Der Selbstentzündung als Brandursache haftet etwas Unberechenbares und Geheimnisvolles an. Was verbirgt sich hinter diesem Phänomen?

Februar 2023, Bohmte in Niedersachsen: Das mit einem Stroh-Silage-Gemisch gefüllte Silo eines Bauernhofs in der Nähe von Osnabrück geriet in Brand. Feuerwehr und Polizei rückten an, und es entspann sich ein mühsamer Kampf der Löschmannschaft gegen die Flammen in der Miete des rund 10.000 Kubikmeter großen Flachsilos. Schließlich konnte das Feuer unter Kontrolle gebracht werden. Der Schaden beläuft sich auf ca. 50.000 Euro. Nach ersten Erkenntnissen der ermittelnden Beamten handelt es sich um einen Fall von Selbstentzündung. Auch das Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung (IFS) berichtet von einem ähnlichen aktuellen Fall: Im Zuge von Renovierungsarbeiten geriet die Holztreppe eines Treppenhauses in Brand. Dabei war Leinöl ursächlich – was zu einem „Feuer ohne Zündquelle“ führte, wie das IFS auf seiner Webseite mitteilt.

Kritische Hitze aus Gärprozessen

Zunächst sei angemerkt: In diesem Beitrag geht es nicht um die sogenannte Selbstentzündung des menschlichen Körpers, die immer wieder einmal von den Medien thematisiert wird. Die wenigen vorliegenden Fälle einer vermuteten menschlichen Selbstentzündung spalten die Wissenschaft und führen schnell in unseriöse Diskussionen. Knüpft man vielmehr an das Beispiel der abgebrannten Silage an, ergibt sich ein von Brandschützern eindeutig identifizierbares Risikomuster: In Scheunen, Mieten und Silos mit nicht ausreichend getrocknetem Stroh oder Heu kommt es zu Gärprozessen. Dabei werden unter bestimmten Bedingungen Temperaturen erzeugt, die zum Brandausbruch führen können. Um die Gefahr zu bannen, wird die Temperaturentwicklung am besten mit Messsonden kontrolliert. Steigt die Hitze in einen problematischen Bereich, muss das Silo sicherheitshalber geräumt werden.

Diskussion über Zündwirkung

Kontroverse gibt es bei lebendem Pflanzenwuchs. So kam es in Unterfranken während einer Hitzewelle zum Brand eines mit Büschen bewachsenen Grünstreifens. Während der zuständige Feuerwehr-Einsatzleiter von einer Selbstentzündung ausging, widersprachen die Brandexperten des Max-Planck-Instituts (MPI) für Chemie. In belüftetem Grünstreifen oder Buschland fehlen die Ursachen für eine Selbstentzündung. Mit gewissen Einschränkungen: Funkenbildung bei Stromleitungen, heiß gelaufene Mähdrescherbremsen oder phosphorhaltige Kampfmittel könnten durchaus eine Selbstentzündung in freier Natur auslösen – was aber sehr selten vorkommt. Schon häufiger lassen sich Brände auf Blitzschläge zurückführen. Glasscherben reichten indes nach Angaben des MPI nicht aus, um einen Brand zu verursachen. Dafür lägen keine wissenschaftlichen Beweise vor. Generell muss trockenes, brennbares Material auf über 300 Grad erhitzt werden, um in Brand zu geraten. Rund 95 Prozent der in Deutschland festgestellten Brände sind jedenfalls von Menschen oder Technik verursacht.

Was genau ist Selbstentzündung?

Von einer Selbstentzündung spricht man, wenn sich Materialien oder Gemische ohne äußere Energiezufuhr selbst in Brand setzen. Nach einer Definition der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), des Spitzenverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand wird bei einer Selbstentzündung die Zündenergie durch exotherme chemische, biologische oder physikalische Prozesse erzeugt. Dabei kommt es zu einem Wärmestau, weil die entstehende Wärme nicht an die Umgebung abgeleitet werden kann. Als Folge wird die Zündtemperatur erreicht und ein Brand ausgelöst. Sowohl im Fall des brennenden Silos als auch bei Putzschwämmen und anderen Stoffen mit großer innerer Oberfläche kann es zu dieser brandgefährlichen Blockierung der Wärmeabfuhr kommen.

Typische Gefährdungsstoffe

Es gibt eine ganze Reihe an Materialien, die unter den geschilderten Umständen eine Selbstentzündung begünstigen können. Dazu gehören beispielsweise:

  • das schon genannte Heu, wenn bei der Lagerung eine gewisse Restfeuchtigkeit vorhanden ist, die biologische Prozesse der Wärmeentwicklung begünstigt,
  • Holzspäne und Holzstaub, auf die die gleiche Gärproblematik unter Holzfeuchte zutrifft,
  • härtende Öle wie Leinöl oder Heizöl, bei deren Aushärtung es zu einer Oxidation kommt, die eine unter Umständen kritische Reaktionswärme erzeugt,
  • Alu- oder Magnesium-Metallspäne, die so gelagert werden, dass bei Oxidationsprozessen entstehende Wärme nicht freigesetzt werden kann,
  • Lackreste, die sich durch Wärmestau oder hohe Umgebungstemperaturen selbst entzünden können.

Wie sich Selbstentzündungen vermeiden lassen

Materialien, die zur Selbstentzündung neigen, sollten in geeigneten wärmeleitenden, nicht brennbaren Behältern gelagert werden. Hinsichtlich Lagerung und Entsorgung müssen die Inhalte gekennzeichnet sein, um eine Verwechslungsgefahr mit anderen Stoffen auszuschließen. Die schon angesprochene Beobachtung der Temperaturentwicklung in Lagersilos ist ebenfalls eine wirksame Präventionsmaßnahme wie auch der Einsatz von Brandfrüherkennungssystemen.

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