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Flucht- und Rettungswege: Definition, Elemente und Anforderungen

Der bauliche Brandschutz muss sicherstellen, dass im Brandfall sowohl effektive Löscharbeiten möglich sind als auch eine Rettung gefährdeter Menschen und Tiere. Dafür sind Flucht- und Rettungswege zu planen – zwei sich gegenseitig bedingende Begrifflichkeiten mit einem breiten Anwendungsspektrum.

Fluchtwege

Fluchtwege sind Wege, über die Menschen und Tiere im Gefahrenfall eine bauliche Anlage sicher verlassen und ins Freie bzw. in einen gesicherten Bereich gelangen können. Sie dienen der Selbstrettung, können also ohne fremde Hilfe zurückgelegt werden.

Rettungswege

Dagegen sind Rettungswege für die Fremdrettung durch Einsatzkräfte, wie die Feuerwehr, vorgesehen. Sie unterstützen zudem die Brandbekämpfung.

Unterschiedliche Definitionen

Flucht- bzw. Rettungswege sind Gegenstand des Baurechts und des Arbeitsrechts. Dabei gibt es keine Einheitlichkeit der Definitionen:

Die Bauordnungen kennen nur einen Begriff – den Rettungsweg –, der beide Nutzungsmöglichkeiten zusammenfasst.

Davon abweichend nennen die Sonderbauverordnungen voneinander unterschiedene Flucht- und Rettungswege für Selbstrettung bzw. Fremdrettung und Brandbekämpfung.

In den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A2.3) wiederum werden Fluchtwege als Verkehrswege bezeichnet, die zur Flucht wie für eine Rettung durch andere bestimmt sind.

Eine Vielzahl an Anforderungen

Für Flucht und Rettungswege gelten zahlreiche unterschiedliche Anforderungen und Vorgaben, die teils sogar widersprüchlich sind. Sie beziehen sich u. a. auf die bauliche Ausführung, die Anzahl der Flucht- und Rettungswege, den Feuerwiderstand oder die Brennbarkeit der Baustoffe. Heranzuziehen sind dafür die:

  • Musterbauordnung (MBO)
  • Landesbauordnung (LBO) des betreffenden Bundeslandes
  • diverse (Muster-)Sonderbauverordnungen und Richtlinien, die jedoch nicht bundesweit einheitlich umgesetzt sind.
  • arbeitsrechtliche Vorgaben wie die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A2.3)

Kennzeichnung

Nach MBO müssen Rettungswege in Sonderbauten den sich rettenden Personen eine Orientierung auf dem kürzesten Weg bieten. Für diese Leitsysteme nennen die meisten Verordnungen deutlich erkennbare Sicherheitszeichen in Grün und Weiß. Für Arbeitsstätten gilt eine Sicherheitskennzeichnung nach ASR A1.3.

Dimensionierung

Hinsichtlich der maximalen Länge heißt es in § 35 (2) MBO: „Von jeder Stelle eines Aufenthaltsraumes sowie eines Kellergeschosses muss mindestens ein Ausgang in einen notwendigen Treppenraum oder ins Freie in höchstens 35 Meter Entfernung erreichbar sein.“ Außerdem gibt es davon abweichende Sondervorschriften, die sich an der Umgebung und dem spezifischen Gefährdungspotenzial orientieren – wie etwa die maximal erlaubten Fluchtweglängen in ASR A2.3 – und solche für Sonderbauten.

Die nutzbare Mindestbreite von Rettungswegen nach § 34 (5) MBO hat sich nach dem größten dort zu erwartenden Personenverkehr zu richten. Für Nicht-Sonderbauten ist dabei die DIN 18065 „Gebäudetreppen – Begriffe, Messregeln, Hauptmaße“ eine probate Bemessungsgrundlage. Beispielsweise sind dort für die Treppen von Wohngebäuden, die zu den Wohnungen führen, Breiten von 80 Zentimetern vorgegeben. Rettungswege in Sonderbauten sind deutlich breiter zu veranschlagen, etwa 5 Meter Mindestbreite bei Ladenstraßen. In den ASR A2.3 werden für Arbeitsstätten konkrete Personenzahlen genannt, nach denen sich die Wegesbreite bemisst, z. B. bis 300 Menschen mit 1,80 Meter Breite für den Hauptfluchtweg. (Die neue ASR A2.3:2022 unterscheidet in Haupt- und Nebenfluchtwege.)

Der zweite Rettungsweg

§ 33 MBO fordert für Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum – das können Wohnungen, Ladengeschäfte oder Arztpraxen sein – zwei voneinander unabhängige Rettungswege. Der zweite Weg gilt als Absicherung, falls der erste unpassierbar ist. Dies kann auch ein Rettungsweg sein, der im letzten Abschnitt über Leitern der Feuerwehr führt. Für diese Alternative werden Einschränkungen gestattet und Auflagen gemacht. So verfügt die MBO, dass innerhalb eines Geschosses der gleiche notwendige Flur für beide Wege geplant werden darf. Soll Rettungsgerät der Feuerwehr genutzt werden, muss der zweite Weg über anleiterbare Fenster verfügen. Liegen diese höher als acht Meter, muss eine Rettungsmöglichkeit durch die Feuerwehr sichergestellt sein. Handelt es sich um Sonderbauten, darf die Wegehilfe durch die Feuerwehr nur eingeplant sein, wenn diese ihre Unbedenklichkeit hinsichtlich der zu rettenden Personenzahl erklärt hat und Sonderbauvorschriften keine anderen Vorgaben machen. Ausnahmen gelten, wenn ein Sicherheitstreppenraum im Gebäude vorhanden ist. Dieser macht den baurechtlich geforderten zweiten Rettungsweg ggf. verzichtbar.

Notwendige Flure

Notwendige Flure sind horizontale Rettungs- und Fluchtwege ins Treppenhaus oder ins Freie. Für sie gilt laut § 36 (1) MBO, dass sie so angeordnet und ausgebildet sein müssen, um eine möglichst lange Nutzung im Brandfall zu gewährleisten. Für sie gelten Anforderungen, wie eine Unterteilung in Rauchabschnitte, die Installation von Rauchschutztüren, Freiheit von Brandlasten, bestimmte Maße und Baustoffe.

Notwendige Treppen und Treppenräume

Werden bauliche Rettungswege in der Vertikalen über Treppen und Treppenräume geführt, gelten diese als „notwendige Treppen“. Die diesbezüglichen Anforderungen definieren u.a. den ausreichend langen Schutz vor Feuer und Rauch, gute Erreichbarkeit, die Ausgangsmöglichkeiten ins Freie, die erforderliche Belüftung und Beleuchtung.

Fluchttüren

Sämtliche Türen in Flucht- und Rettungswegen sind als Fluchttüren einzurichten. Diese Türen müssen sich leicht und über die volle Breite öffnen lassen, in den meisten Fällen in Fluchtrichtung aufschlagen, schwellenlos und gekennzeichnet sein.

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