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Brandschutz bei Nachverdichtung – häufige Fragen beantwortet

In diesem Artikel beantworten wir Ihnen verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der urbanen Nachverdichtung, z. B. wie die Sicherheit im Brandfall gewährleistet werden kann und welche Maßnahmen getroffen werden sollten.

Wie kann im Zuge der urbanen Nachverdichtung die Sicherheit der Menschen im Brandfall gewährleistet werden?

Fast alle Großstädte stehen vor der gleichen Herausforderung: Sie benötigen mehr Wohnraum für mehr Menschen. Gebäude für Arbeitsplätze oder Infrastruktureinrichtungen müssen ihren Platz finden. Dazu kommen Verkehrsflächen und Parkplätze, gleichzeitig dürfen Grünflächen oder Straßenbäume nicht vernachlässigt werden. Auch Flächen für Ver- und Entsorgung von Gütern und Abfällen sind erforderlich und nicht zuletzt Flächen für die Einsatzfahrzeuge diverser Rettungskräfte, u. a. der Feuerwehr.

Die urbane Dichte führt zwangsläufig zu Flächen- und Nutzungskonflikten. Dort, wo noch nicht gebaut ist, wird dem Mangel durch Nachverdichtung, neue Quartiere (z. B. das Schumacher-Quartier in Berlin auf dem ehemaligen Flughafen Tegel) oder immer höher wachsende Hochhäuser abgeholfen. Dort, wo bereits gebaut wurde, sind meist Dachgeschossausbau oder Aufstockungen eine Möglichkeit zur Nachverdichtung. Diese Vorhaben stoßen aber häufig an baurechtliche Grenzen. Mögliche Hindernisse sind zum einen mangelnde Flächen für Rettungswege und Rettungsgeräte, zum anderen u. a. der Wechsel in eine höhere Gebäudeklasse oder der Wegfall des Bestandsschutzes für das vorhandene Gebäude.

Der zweite Rettungsweg als Notwendigkeit

Grundsätzlich benötigen wir zwei voneinander unabhängige Rettungswege. Den ersten Rettungsweg stellt aus nicht zu ebener Erde liegenden Geschossen immer die vorhandene notwendige Treppe zur Erschließung des Gebäudes da. Während die neu errichteten notwendigen Treppen i. d. R. dem Baurecht entsprechen, weichen Bestandstreppen, z. B. mit aufgesattelten Holzstufen, davon ab. Diese Abweichungen müssen dokumentiert, genehmigt und ggf. kompensiert werden.

Viele Vorhaben zum Dachausbau bzw. zur Dachaufstockung scheitern jedoch daran, dass aufgrund der einleitend aufgeführten Nutzungskonflikte in verdichteten Innenstädten der Nachweis des zweiten Rettungswegs über Geräte der Feuerwehr nicht geführt werden kann. Ein zweiter Treppenraum als weiterer vertikaler Flucht- und Rettungsweg ist zumeist im Bestand nicht gegeben. Aufgrund der Anleiterhöhe müssen Hubrettungsfahrzeuge eingesetzt werden. Diese Fahrzeuge benötigen Aufstellflächen mit einer Breite von 5,50 m und einer Länge von 11 m. In manchen innerstädtischen Wohn- und Nebenstraßen ist diese Breite z. B. zwischen den parkenden Fahrzeugen nicht vorhanden. Einer Rettung über die Rettungsgeräte der Feuerwehr kann dann nicht zugestimmt werden.

Um im Brandfall alle Menschen sicher aus dem Gebäude bringen zu können, brauchen wir für den Ernstfall zwei Rettungswege. So ärgerlich eine Ablehnung des Bauantrags auch ist, darf man nicht vergessen, dass hier Menschenleben an oberster Stelle stehen.

Bild von Reinhard Eberl-Pacan

Welche Kompromisse müssen wir eingehen?

Bebauungen von Brachflächen, Aufstockungen sowie Lückenschließungen sind alltägliche Planungsaufgaben und dabei baurechtlich äußerst komplex. Die Anforderungen beim Brandschutz und fehlende Stellflächen für die Feuerwehr sind meistens die Gründe, warum ein Projekt nicht verwirklicht werden kann. Besonders bitter ist es, wenn bereits aufwendig erarbeitete Pläne und Visionen aufgrund der zuvor aufgeführten brandschutztechnischen Belange im Genehmigungsverfahren abgelehnt werden.

Speziell für Berlin wäre die Anschaffung neuer Feuerwehrfahrzeuge sinnvoll, die auf die neuen Bedürfnisse ausgerichtet sind. An manchen Orten in Berlin wäre ein Umbau der Stellplätze nötig sowie eine bessere Baumpflege. Was in Hamburg eine Zustimmung erhält, kann in Berlin abgelehnt werden. Jedes Projekt muss somit individuell bewertet werden. Trotzdem ist es wichtig, neue Ideen und Innovationen voranzutreiben. Eine bundesweit einheitliche Bauverordnung für den Brandschutz würde die Arbeit deutlich vereinfachen.

Lassen sich bewährte Lösungsverfahren abwandeln oder neu kombinieren?

Fehlt die Möglichkeit, Wohnungen an zwei Bestandstreppen anzuschließen, können nichtbrennbare Außentreppen angeordnet werden. Dazu müssen in den Höfen oder zu Nachbargrundstücken die erforderlichen Flächen vorhanden sein. Außentreppen können nur genehmigt werden, wenn ihre Nutzung ausreichend sicher ist.

Um mit der Zeit zu gehen, darf man die Augen vor neuen Entwicklungen und Innovationen nicht verschließen. So hat in Hamburg die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) zusammen mit der dortigen Feuerwehr und der TU Braunschweig ein Forschungsprojekt durchgeführt, das die mögliche Ertüchtigung des Treppenraums bestehender Wohngebäude durch technische Maßnahmen untersuchte. Die durch Brandversuche validierten Ergebnisse zeigten, dass die sichere Benutzbarkeit des Treppenraums in Bestandswohngebäuden durch Niederdruck-Wassernebellöschanlagen in Kombination mit Brandwarnanlagen (BWA) auch im Brandfall gewährleistet werden kann [1].

Beteiligung der Feuerwehr

In der Planungsphase des Wohnungsbaus oder der Nachverdichtung muss die Feuerwehr zunächst nicht beteiligt werden. Ein verpflichtendes bundesweit einheitliches Brandschutzstudium für Architekten oder Ingenieure gibt es nicht. Umso wichtiger, dass möglichst früh und bereits in der Planungsphase ein Brandschutzexperte hinzugezogen wird. Wenn beispielsweise im Rahmen der Grundlagenermittlung festgestellt werden muss, ob die Zufahrtswege für die Feuerwehr gegeben sind, kann in Berlin über ein Online-Portal der Feuerwehr eine erste Einschätzung angefragt werden. Diese ist keine rechtlich bindende Aussage, gibt aber einen guten Einblick, was der Feuerwehr und somit für eine potenzielle Bewilligung des Bauantrags wichtig ist.

So könnte eine Antwort der Feuerwehr zu der Frage Zufahrtswege aussehen:

„Aus einsatztaktischen Gründen wird die Variante 2 der Bewegungsfläche im Lageplan mit Flächen FW bevorzugt. Somit wären auch keine weiteren Bewegungsflächen erforderlich. Meines Erachtens ist die dargestellte geringe Überschneidung der Geometrie im Schleppkurvenbereich in diesem Einzelfall tolerierbar.“

Ist der Brandschutznachweis eingereicht, entscheidet der Prüfer des Projekts in Abstimmung mit der zuständigen Brandschutzdienststelle über das Bauvorhaben.

Bild von Reinhard Eberl-Pacan

Spezialfall Berlin

Die Oberste Bauaufsicht bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (SenStadtWohn) Berlin setzt mit der Berliner Feuerwehr weiterhin auf den „Sicherheitstreppenraum Berlin“ (SiTrR Bln), der im Anhang A der VV TB Bln [2] fest zementiert ist. Er benötigt allerdings im Gebäudegrundriss zusätzliche Flächen für Schleusen oder Vorräume und ist deshalb nur für Neubauvorhaben einfach umsetzbar.

Viele Projekte zu Dachgeschossausbauten, Dachaufbauten oder Aufstockungen mit alternativen Lösungen zu den Rettungswegen werden dagegen durch negative Stellungnahmen der Berliner Feuerwehr nachhaltig torpediert und letztendlich zum Scheitern gebracht.

Fazit

Urbane Dichte erfordert Lösungen auf engstem Raum, auch für die Ausbildung von Rettungswegen. Da diese Herausforderung alle größeren Städte in Deutschland betrifft, ist eine Vielfalt von Möglichkeiten zur Sicherstellung dieser Rettungswege erforderlich. Nur dann können Architekten und Brandschutzplaner überall den Anforderungen des jeweiligen Gebäudes gerecht werden. Die Einzelinteressen der jeweiligen Bauverwaltung müssen hier in den Hintergrund treten.

Autor: Dipl.-Ing. Reinhard Eberl-Pacan

Literaturhinweise:

[1] Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Hamburg; Amt für Bauordnung und Hochbau; Oberste Bauaufsicht (ABH2): Merkblatt Nachträgliche Wohnraumschaffung bei Bestandsbauten – Sichere Benutzung des Treppenraums durch Errichtung einer Niederdruck-Wassernebellöschanlage; Stand: 11. November 2020

[2] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin; Oberste Bauaufsicht: Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB Bln) vom 10. Juli 2020 (ABl. S. 4017)

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