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Barrierefreier Brandschutz: Wie Sicherheit für wirklich jeden realisiert werden kann

Für Menschen mit körperlichen oder sensorischen Einschränkungen, Senioren und auch Kinder ist Barrierefreiheit ein wichtiger Baustein für ein selbstbestimmtes Leben. Wie muss der Brandschutz angepasst werden, damit diese weiterhin gewährleistet ist?

Öffentliche Gebäude, wie Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen oder Hotels, sollen jedoch nicht nur Bewegungsfreiheit gewährleisten – auch im Brandfall muss der maximale Schutz von Leben und Gesundheit gesichert sein. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird barrierefreier Brandschutz zunehmend auch zum Thema für den Wohnungsbau und bei der Sanierung von Bestandsgebäuden. Wie aber lassen sich Selbstrettung oder Evakuierung baulich lösen, wenn beispielsweise Aufzüge oder Türen mit Schließsystemen entweder nur dem barrierefreien Leben oder dem Brandschutz dienen? Was regelt die Bauordnung, welche Normen sind verbindlich?

Die gesetzlichen Grundlagen

Das barrierefreie Bauen wird in § 50 der Musterbauordnung (MBO) bzw. den entsprechenden Landesbauverordnungen geregelt. „In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein; diese Verpflichtung kann auch durch barrierefrei erreichbare Wohnungen in mehreren Geschossen erfüllt werden. In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad sowie die Küche oder die Kochnische barrierefrei sein.“ (§ 50 (1)). Weiterhin fordert § 50 (2) nicht nur die Erreichbarkeit von öffentlich zugänglichen baulichen Anlagen, sondern auch Barrierefreiheit in den „dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen“.

Die MBO regelt etwa Anforderungen an lichte Durchgangsbreiten, Bewegungsflächen, Treppen und Rampen. Dabei geht es auch darum, ohne fremde Hilfe in Gefahrensituationen Rettungswege selbst zurücklegen zu können. Die Anforderungen an barrierefreies Bauen umfassen jedoch keine expliziten Vorgaben, wie sich Barrierefreiheit und brandschutztechnische Anforderungen in Einklang bringen lassen. Diesem Aspekt ist die Normenreihe DIN 18040 gewidmet. Sie dienen als Planungsgrundlage für barrierefreies wie brandschutzgerechtes Bauen und sind in den meisten Bundesländern Teil der technischen Baubestimmungen. Diese Normen legen in öffentlichen Gebäuden die Anforderungen an Feuer- und Rauchschutztüren fest sowie die Alarmierung und Evakuierung in öffentlichen Gebäuden.

Empfehlungen für Feuer- und Rauchschutztüren

Nicht nur Schutztüren stellen hierbei eine Herausforderung dar, da sie im Brandfall zu unüberwindlichen Barrieren werden können. DIN 18040-1 fordert daher Türkonstruktionen für öffentlich zugängliche Gebäude, die sich mit geringem Kraftaufwand öffnen und schließen lassen, zudem spezielle Türschließer und Schließmittel. Sie empfiehlt deshalb automatische Türmechanismen und Feststellanlagen. Diese Möglichkeiten sind allerdings im Konjunktiv gehalten und dem Ausführenden selbst überlassen. Viele Brandschutzplaner wünschten sich indes mehr Deutlichkeit in diesem hochsensiblen Bereich. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass DIN 18040-1 teilweise als technische Baubestimmung zu betrachten ist, von der nach § 3(3) MBO abgewichen werden kann, wenn sich die genannten Anforderungen mit einer anderen Lösung erfüllen lassen. Diese müssen aber im Einzelfall im Brandschutzkonzept nachgewiesen, beschrieben und begründet werden.

Sichere Bereiche und Evakuierungskonzepte

Damit Menschen mit Einschränkungen im Brandfall nicht ohnmächtig vor Treppenliften, Treppenhäusern und Notausstiegen kapitulieren müssen, sieht DIN 18040-1 „sichere Bereiche für den Zwischenaufenthalt nicht zur Eigenrettung fähiger Personen“ vor. Sichere Bereiche bieten nach DIN CEN 81-76 für die Evakuierungsdauer Sicherheit und sind durch feuerbeständige Einrichtungen vom Brand abgeschirmt. Diese Sicherheitsforderung kann vom Brandschutzplaner auch auf spezielle Evakuierungsaufzüge ausgedehnt werden, die in der Notsituation sicher genutzt werden können. Für Räume, in denen sich Hörgeschädigte allein aufhalten, sind optische Rettungszeichen vorgesehen. Auch sind nach DIN-Normierung betriebliche Vorkehrungen im Gebäude zu treffen. Die Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättVO) verpflichtet in § 42 Betreiber zu einer entsprechenden Brandschutzordnung und einem analogen Evakuierungskonzept. Dieses umfasst – ebenfalls in DIN CEN 81-76 definiert – die Dokumentation und den Plan zur sicheren Räumung des Gebäudes. Evakuierungshelfer können dabei Unterstützung leisten und beispielsweise Aufzüge bedienen.

Eine selbstständige Rettung unterstützen

Bauliche Maßnahmen, brandschutztechnische Organisation und Räumungskonzept haben auch Antworten auf die Frage der Selbstrettung zu finden. Diesem Punkt kommt beim barrierefreien Brandschutz große Bedeutung zu und unterscheidet ihn am meisten von konventionellen Brandschutzmaßnahmen. Fluchtbewegungen über mehrere Ebenen, in Fluren, Treppen und Aufzügen müssen, wie in DIN 18040-1 genannt, klar erkennbar markiert und mit Notrufmöglichkeiten versehen sein. Im Prinzip gilt es sicherzustellen, dass ein barrierefreier Weg von einem sicheren Bereich zum nächsten möglich ist. Dies können unter anderem Rettungsabschnitte sein, die durch eine Wand mit hoher Feuerwiderstandsklasse vom restlichen Gebäude separiert sind und die per Treppe oder Evakuierungsaufzug erreicht werden. Neben den spezifischen baulichen Vorkehrungen kommt hierbei Leitsystemen eine wichtige Aufgabe zu. Dabei gilt das Zwei-Sinne-Prinzip: Alarme, Markierungen und andere Fluchthilfen können visuell, akustisch oder taktil auf die Sinne wirken – zwei von diesen drei Möglichkeiten sollten stets gegeben sein.

Spezielle Rettungsmittel zur Evakuierung

Menschen mit sensorischen Einschränkungen lassen sich nicht nur mit Blitzanzeigen und Vibrationsalarm auf den Notfall aufmerksam machen. Heute steht ein breites Spektrum an modernen Rettungsmitteln zur Verfügung, die eine Evakuierung oder Selbstrettung leiten und absichern können. Dazu gehören etwa in Rollstuhlhöhe angebrachte Touchscreens mit Flucht- und Rettungsplänen, die einen großen Schriftgrad haben und auch abgehört werden können. Ähnlich funktionieren Video- und Audioguides. Tafeln können wichtige Hinweise für den Brandfall im Relief liefern, das abgetastet werden kann. In jedem Fall muss durch geeignete Einweisungen und Schulungen sichergestellt sein, dass diese Evakuierungshilfen im Fall der Fälle von den Betroffenen auch angewandt werden können.

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