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Brand im Grenfell-Tower: Abschlussbericht enthüllt kollektives Versagen

Es gibt Brandkatastrophen von weltweiter Bedeutung. Manche sind so gravierend in ihren Ursachen und Auswirkungen, dass auch in anderen Staaten die Behörden Maßnahmen ergreifen, um solchen Ereignissen vorzubeugen. In den letzten Jahren gehört insbesondere der Brand des Londoner Grenfell-Tower in diese hoch relevante Kategorie. Nun offenbart ein Abschlussbericht, wie groß das Versagen auf allen Ebenen war und schließlich zu dem verheerenden Brand führte.

Ein Blick zurück

Wegen eines defekten Kühlschranks im vierten Stockwerk brach am 14. Juni 2017 in den Nachtstunden im 67 Meter hohen Grenfell-Tower im Stadtteil North Kensington (West-London) ein Brand aus, der sich rasch über die gesamte Fassade des 24-stöckigen Hochhauses ausbreitete. Die Bewohner des Sozialbaus hatten von der Feuerwehr irrtümlich die Anweisung erhalten, in ihren Wohnungen zu bleiben. Ein verhängnisvoller Fehler. 72 Menschen fanden den Tod. Im Schlaglicht der folgenden Untersuchung stand vor allem die Fassadenverkleidung aus Aluminium und Kunststoff, die maßgeblich zur rasanten Ausbreitung des Feuers in der Fläche beigetragen hatte.

Der Premierminister entschuldigt sich

Nach Veröffentlichung des abschließenden Untersuchungsberichts erklärte nun der britische Premier Keir Starmer: „Ich möchte mit einer Entschuldigung im Namen des britischen Staats bei jedem Einzelnen von Ihnen und allen Familien der von dieser Tragödie Betroffenen beginnen: Es hätte nie geschehen dürfen.“

Die Gründe für dieses erschütternde Statement sind nun deutlich geworden: Der 1.700 Seiten lange Bericht ist die Chronik eines kollektiven Versagens. Und zugleich eine Anklage. Sie reicht von Pfusch am Bau und dem geringschätzigen Umgang mit Brandschutzbestimmungen über manipulierte Tests und ignorierte Warnhinweise bis zu dem folgenschweren Fehler der Feuerwehr. Nahezu alle Firmen und Behörden, die in die Errichtung und Verwaltung des Grenfell-Tower involviert waren, trifft eine Schuld. So heißt es: „Wir kommen zu dem Schluss, dass der Brand im Grenfell-Tower der Höhepunkt eines jahrzehntelangen Versagens der Zentralregierung und anderer verantwortlicher Stellen in der Bauindustrie war, [indem versäumt wurde], die Gefahr des Einbaus brennbarer Materialien in die Außenwände von Wohnhochhäusern sorgfältig zu untersuchen und auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen zu handeln.“

Das letzte Wort hat die Justiz

Martin Moore-Bick, Vorsitzender des für den Bericht verantwortlichen Untersuchungsausschusses, spricht von Inkompetenz und Profitgier. Sein Urteil fällt vernichtend aus: „Die simple Wahrheit ist, dass die Todesfälle allesamt vermeidbar waren“. Nun obliegt es den britischen Strafverfolgungsbehörden, nach Prüfung dieses Abschlussberichts angemessene Schritte zu unternehmen.

Die Schreckensnacht von London hatte auch Auswirkungen in Deutschland. In die Medien schaffte es besonders die Wohnanlage Nürnberg-Neuselsbrunn, deren Fassadenverkleidung 2018 auf Veranlassung der Stadt Nürnberg abgerissen werden sollte, nachdem erste Untersuchungsergebnisse zur Brandursache an der Themse vorlagen.

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