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Sind Balkonkraftwerke ein Problem für den Brandschutz?

Mini-Photovoltaikanlagen für den Balkon oder die Terrasse erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Gesetzliche Erleichterungen und verschiedene Förderungen lassen es vielen Deutschen sinnvoll erscheinen, in der Miet- oder Eigentumswohnung im gewissen Umfang eigenen Strom zu erzeugen.

Dass diese sogenannten Balkonkraftwerke auch Fragen des Brandschutzes aufwerfen würden, war nur eine Frage der Zeit. Die recht neue Technologie für daheim sorgt vielerorts für Kontroversen. Wie ist der Stand der Dinge, wenn man die aktuelle Entwicklung unter dem Gesichtspunkt des Brandschutzes sieht? Welche Bedenken gibt es?

Zwei Gerichtsurteile – Brandschutz kein Thema

In Kiel hatten Mieter ihre Hausverwaltung verklagt, weil ihnen die Montage von Solarmodulen am Balkongeländer verboten worden war. Als Begründung waren ihnen erst ästhetische Probleme, dann mangelhafter Brandschutz genannt worden. Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schaltete sich in den Rechtsstreit ein, der den Charakter eines Musterprozesses annahm.

Das Urteil des Kieler Gerichts: Die Mieter dürfen ihr Balkonkraftwerk anbringen. Von Brandschutz war nicht mehr die Rede. Die DUH monierte, dass es noch immer keine klare Definition des Mitspracherechts von Vermietern beim Aufstellen von Balkonkraftwerken gebe und Mieter in dieser Hinsicht der Willkür ausgeliefert seien. Ein ähnlicher Rechtsstreit um ein Mini-Kraftwerk auf dem Balkon hatte sich zuvor schon in Stuttgart zugetragen – mit ebenfalls positivem Ausgang für die Mieterseite.

Das Amtsgericht Stuttgart wies seinerzeit darauf hin, dass Balkonkraftwerke fachmännisch installiert, baurechtlich zulässig und problemlos rückbaubar sein müssten. Von ihnen dürfe auch keine erhöhte Brandgefahr ausgehen. Eine Zustimmung durch den Vermieter sei aber nötig, sonst drohen Abbau der Anlage und Kündigung. Geht nun von Balkonkraftwerken eine erhöhte Brandgefahr aus?

Nur sehr geringes Brandrisiko bei Photovoltaik

Das Fraunhofer-Institut für Solar- und Energiesysteme ISE stellt in einer aktuellen Studie fest, dass lediglich 0,006 Prozent aller in Deutschland installierten Photovoltaikanlagen einen Brand verursachen. Dieser Wert ist ähnlich dem Brandrisiko von Haushaltsgeräten – und er lässt sich leicht auf Balkonkraftwerke übertragen. Ein Brandrisiko bestehe laut Fraunhofer ISE weniger wegen der Technologie an sich als wegen Qualitätsmängeln oder fehlerhafter Installation. Fehlfunktionen der Anlage hatten gerade einmal ein Drittel der wenigen untersuchten Brände ausgelöst. Diese Studie bezieht sich wohlgemerkt auf Solarmodule auf dem Dach, deren Dimension, Aufbau und Betrieb gegenüber Balkonkraftwerken in ganz anderen Größenordnungen liegt.

Das Brandrisiko bei Mini-Anlagen dürfte damit sogar noch niedriger liegen. Gerade wegen seiner technischen Simplizität darf es auch von Laien installiert und mit einem herkömmlichen Haushaltsstecker ans Stromnetz angeschlossen werden – anders als etwa ein Elektroherd.

Ein Pilotprojekt gibt zu denken

Das Balkonkraftwerk selbst mag bei sachgemäßer Nutzung ein nur äußerst geringes Brandrisiko bergen – wie bei jeder anderen Technologie auch, entscheidet aber letztlich der Einsatzort. Wie kritisch der Aufstellplatz gesehen werden kann, zeigt ein Beispiel aus Thüringen. Eine Wohnungsbaugesellschaft nahm sich in einem Pilotprojekt des Themas Mini-Solaranlage an. In einem Neubau mit zehn Stockwerken standen 50 Balkone mit je zwei Solarmodulen zur Disposition. Eine durchschnittliche Anlage kostet im Handel mehrere hundert Euro. Fertig installiert schlugen die tatsächlichen Kosten aber nach Angaben des Unternehmens mit jeweils 4100 zu Buche. Dieser immense Kostensprung wird mit höheren Baukosten, Veränderungen an der Statik und auch mit dem Brandschutz erklärt. Dieser sei einer der größten Kostentreiber gewesen.

Konkret sah der Bauunternehmer an seinem beispielhaften Objekt folgende zu erfüllende Anforderungen:

  • Nicht nur die Solarmodule brauchen Platz auf dem Balkongeländer – auch die Feuerwehr im Brandfall zum Anleitern. Dazu mussten Blumenkästen und ein Falzblech kostspielig abmontiert und ersetzt werden. Kosten: 700 Euro je Balkon.
  • Weil die üblichen Glas-Folien-Solarmodule als „normal entflammbar“ eingestuft sind, wurden „schwer entflammbare“ und teure Glas-Glas-Module bevorzugt, weil es sich um ein Hochhaus handelt. Entsprechende Modelle für je 1400 Euro wurden angeschafft.
  • Aus dem gleichen Grund musste die Halterungskonstruktion der Mini-PV-Anlagen von einem Statiker abgenommen werden. Diese Abnahme und eine weitere durch einen Brandschutzprüfer haben die Wohnungsbaugesellschaft allein 77 Euro pro Balkon gekostet.
  • Obwohl der Anschluss eines Balkonkraftwerks an eine übliche Schuko-Steckdose erlaubt ist, wählte das Unternehmen aus Brandschutzgründen Wieland-Steckdosen und ließ auch gleich neue Kabelwege auf die Balkone legen. Kosten: 1380 Euro pro Wohnung.

Exemplarisch zeigt sich hier, wohin Brandschutzbedenken führen können, die sich einerseits aus einer korrekten Umsetzung von Bestimmungen, andererseits aus bloßen Befürchtungen speisen können. In diesem Pilotprojekt wurden die Kosten nicht auf die Genossenschaftsmitglieder in den Mietwohnungen umgelegt. Andernfalls hätte sich die Anschaffung eines Balkonkraftwerks auch kaum rentiert. Letztendlich wird auch deutlich, dass die Diskussion zum Thema noch lange nicht abgeschlossen ist.

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